Kürzlich wurde ich im Rahmen einer Übersetzung für eine große Anwaltskanzlei wieder einmal mit dem Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbnErfG) konfrontiert. Aus diesem Anlass möchte ich Ihnen heute einen Begriff aus diesem Gesetz vorstellen:
Diensterfindung
Mit diesem für eine Begriffsvorstellung ungewöhnlich langen Beitrag habe ich – zunächst ganz ungewollt – demonstriert, welch komplexe Überlegungen und Recherchen beim Übersetzen von juristischen (und auch anderen) Texten häufig gefordert sind. Es geht eben nicht darum, ein Wort in einer Sprache einfach durch ein Wort in einer anderen Sprache zu ersetzen. Auch wenn es manchmal funktioniert. In unserem Beispiel entpuppt sich “service invention” im Rahmen der Übersetzung des deutschen Gesetzestextes als gar nicht so untauglich, wie es zunächst den Anschein hat. Aber für andere Texte ist es eben doch nur ein Notbehelf, den wir nicht immer unreflektiert übernehmen können.
Und deshalb kostet eine gute Übersetzung eben auch mehr Geld als eine rein mechanische Tätigkeit, die problemlos von einer Maschine übernommen werden kann.
Und hier die ausführlichen Überlegungen dazu (Achtung, nur für echte Sprach- und Jurafreaks geeignet!):
Leider stellt uns die juris GmbH, das juristische Informationssystem der Bundesrepublik, bislang weder eine offizielle noch eine unverbindliche Übersetzung des ArbnErfG zur Verfügung, auf die wir verweisen könnten, wenn wir einen Begriff wie “Diensterfindung” ins Englische übersetzen müssen. Wir müssen wohl oder übel einen Blick ins Gesetz werfen, um zu sehen, wie die “Diensterfindung” dort definiert ist:
§ 4 klärt uns auf, dass Erfindungen von Arbeitnehmern im Sinne dieses Gesetzes entweder “gebundene” oder “freie” Erfindungen sein können. Was eine “gebundene Erfindung” ist, erfahren wir in § 4 (2): “Gebundene Erfindungen (Diensterfindungen) sind während der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemachte Erfindungen, die entweder
- aus der dem Arbeitnehmer im Betrieb oder in der öffentlichen Verwaltung obliegenden Tätigkeit entstanden
sind oder
- maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebes oder der öffentlichen Verwaltung beruhen.”
Nun wissen wir es: Eine Diensterfindung ist eine “gebundene Arbeitnehmererfindung”, also eine Erfindung, die ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner Dienstpflicht gemacht hat bzw. im Wesentlichen auf seinen Erfahrungen oder seiner Arbeit im Rahmen dieser Dienstpflicht beruht.
Wie aber bringen wir das nun ins Englische? Das bei C. H. Beck erschienene “Wörterbuch Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht” von Kettler zieht es vor, den Terminus gar nicht erst aufzunehmen. Das “Wörterbuch der Patent- und Markenpraxis” von Uexküll aus dem Carl Heymanns Verlag bietet “service invention”. Auch das gute alte “Wörterbuch für Recht, Wirtschaft und Politik” von Dietl/Lorenz, ebenfalls bei C. H. Beck verlegt, schlägt “service invention” vor. Beide Wörterbücher bieten dazu keine weiteren Informationen oder Erklärungen. Etwas unbefriedigend. Nun ist “service invention” natürlich unbestreitbar die wörtliche Übersetzung von “Diensterfindung”. Aber ob sich der englischsprachige Leser darunter etwas vorstellen kann? Nun kann man argumentieren, dass der deutsche Terminus “Diensterfindung” einem Unbedarften vermutlich auch nicht wirklich etwas sagt. Allerdings wird derjenige, der den Begriff “Diensterfindung” im Deutschen verwendet, wohl wissen, wovon er spricht und seine Bedeutung im Kontext des ArbnErfG sicherlich kennen. Was man vom englischsprachigen Leser, selbst wenn er juristisch bewandert, aber kein Experte des deutschen Rechts ist, nicht unbedingt erwarten kann. Was tun? Vermutlich kommen wir häufig nicht umhin, dem geneigten Leser eine kurze Erklärung mitzuliefern, etwa “A ‘service invention’ (German: Diensterfindung) within the meaning of the German Employees’ Invention Act is an invention made by an employee during his or her employment with an employer and that results from the employee’s work for the employer”. Zugegeben, nicht sehr elegant, aber darum geht es in juristischen Fachtexten ja bekanntlich meist weniger. Haben wir bei der ersten Erwähnung eine solche Erklärung, beispielsweise als “Anmerkung des Übersetzers”, eingefügt, können wir im weiteren Verlauf getrost nur noch “service invention” schreiben, denn jetzt ist klar, was gemeint ist. Ob und in welchem Rahmen und Umfang derartige Erklärungen erlaubt und sinnvoll sind, hängt wieder von den üblichen Faktoren wie Textsorte, Zweck der Übersetzung und Zielleser ab. Das würde hier aber zu weit führen.
Die Recherche zeigt, dass bei der Übersetzung der “Diensterfindung” in vielen Fällen so vorgegangen wird wie beschrieben. Und “service invention”, so banal das klingen mag, ist tatsächlich häufig der Begriff der Wahl. Was jedoch wiederum daran liegen mag, dass wir bei intensiverer Internetrecherche dann doch noch auf eine englische Übersetzung des ArbnErfG stoßen, und zwar bei der WIPO, der Weltorganisation für Geistiges Eigentum mit Sitz in Genf (https://wipolex.wipo.int/en/legislation/details/1004). Und siehe da, auch hier wird die “Diensterfindung” mit “service invention” übersetzt. Bei genauerem Hinschauen sehen wir, dass diese Übersetzung als “machine translation” gekennzeichnet ist. Als ob wir’s nicht geahnt hätten: Genau so klingt “service invention” auch, wie eine 1:1-Übertragung durch eine Maschine. Ein Blick in besagte Übersetzung zeigt uns zwar, dass sie offenbar noch einmal gründlich von einem Humanübersetzer nachbearbeitet wurde, doch die “service invention” stammt sicherlich noch aus der Feder der Maschine. Das ist hier auch nicht weiter schädlich, denn die Erklärung liefert der Gesetzestext ohnehin mit. Und so haben wir mit dieser Übersetzung der WIPO schließlich doch noch etwas gefunden, auf das wir uns berufen können. Und das oben beschriebene Vorgehen funktioniert ohnehin.
Ein Trost noch: In der Mehrzahl der Fälle, in denen wir “Diensterfindung” in der täglichen Praxis übersetzen müssen, ist die Lösung viel einfacher: Da können wir es nämlich mit Wikipedia halten und “Diensterfindung” einfach mit “Arbeitnehmererfindung” gleichsetzen: ” Eine Arbeitnehmererfindung (Diensterfindung) ist eine patentfähige oder gebrauchsmusterfähige Erfindung, die ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner Dienstpflicht gemacht hat.” (https://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitnehmererfindung). Das ist zwar streng genommen nicht ganz richtig, wenn wir uns an § 4 ArbnErfG (siehe oben) erinnern, aber in vielen Fällen ist eindeutig, dass nur diese “gebundenen” Arbeitnehmererfindungen gemeint sind. Die freien Erfindungen sind in diesem Zusammenhang nicht relevant. Gegenstand von Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind üblicherwese nur Diensterfindungen. Und so können wir alle bisherigen Überlegungen in solchen Fällen getrost vergessen und einfach “employee inventions” schreiben…