Nein, es geht nicht etwa um die Straßenverkehrsordnung. Mit “Abstandsgebot” ist hier ein Begriff aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit der Sicherungsverwahrung von gefährlichen Straftätern gemeint. Das Bundesverfassungsgericht spricht in seinem Leiturteil vom 4. Mai 2011, mit dem es die damals geltenden Regelungen zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärte, vom “verfassungsrechtlichen Abstandsgebot” und führt aus “…Die grundlegend unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Legitimationsgrundlagen und Zwecksetzungen von Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung erfordern einen deutlichen Abstand des Freiheitsentzugs durch Sicherungsverwahrung zum Strafvollzug (sog. Abstandsgebot)…” (Pressemitteilung Nr. 31/2011 vom 4. Mai 2011).

Die juristischen Feinheiten überlassen wir anderen. Uns interessiert vielmehr die sprachliche Seite: Wie lässt sich ein solcher Begriff, der für eine ganz konkrete juristische Situation innerhalb eines Landes geprägt wurde, in eine Fremdsprache übertragen?

Das Bundesverfassungsgericht selbst verwendet die Umschreibung “distance between preventive detention and prison sentences“. In seiner eigenen Übersetzung des Urteils verwendet es dann auch kurzerhand eine sehr wörtliche Übersetzung “distance requirement“. Was darunter zu verstehen ist, wird im Urteil erklärt, ohne nähere Sachkenntnis und entsprechende Erklärung ist schließlich auch der deutsche Begriff nicht zu verstehen.

Einen etwas anderen Weg wählt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der sich mit dieser Thematik wiederholt befasst hat (siehe Beitrag “Wussten Sie…”). Er verwendet in seinem Urteil vom 7. Januar 2016 diverse Umschreibungen wie “differentiate between preventive detention and prison sentences” oder “constitutional requirement of differentiating between preventive detention and imprisonment”. Meist setzt er den deutschen Begriff “Abstandsgebot” zusätzlich dahinter in Klammern. Für das “Gesetz zur bundesrechtlichten Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungverwahrung” kreiert er die Kurzbezeichnung “Preventive Detention (Distinction) Act”.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht also weg vom deutschen Wort “Abstand” und fragt eher, was damit gemeint ist, nämlich eine deutliche Unterscheidung zwischen der Ausgestaltung der beiden Konzepte.

Zwei Lösungsansätze, die schließlich beide zum Ziel führen. Eine Erklärung, was der Begriff meint, bieten beide Institutionen. Dies ist in solchen Fällen meist unerlässlich. Welcher Weg zu bevorzugen ist, hängt von diversen Faktoren des Einzelfalls ab und würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen.

Mit einer spanischen Übersetzung des Begriffes bin ich bisher nicht konfrontiert worden. Nach dem Muster der Vorgehensweise der Übersetzung ins Englische könnte man jedoch ohne weiteres analoge Lösungen finden. Wem sind schon welche begegnet? Dann will ich die gerne hier aufnehmen.